Beitragsbild "Projektmanagement-Methoden II"

Gängige Projektmanagementmethoden II – It’s about time

Im ersten Kapitel unserer Reihe ‚Gängige Projektmanagement-Methoden‘ haben wir uns einen Überblick über die wichtigsten Vertreter der zwei großen Projektmanagement-Welten Klassisch und Agil verschafft – und mit der Erkenntnis abgeschlossen, dass die bestmögliche Methode keine standardisierte Lösung ist, sondern in einem hybriden Mix aus unterschiedliche Ansätzen besteht.

Aber warum ist dem so?

Um der Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen, beschäftigen wir uns heute mit einer der wichtigsten Ressourcen in der Projektarbeit: Zeit.

Absolut unverkäuflich: Warum Zeit so wertvoll ist

Napoleon Bonaparte hätte sich selbst vermutlich nicht als Projektmanager bezeichnet; seine Eroberung halb Europas allerdings kann durchaus als ein gewaltiges Projekt gelten. 
Vermutlich wusste er deswegen bereits: „Es gibt Diebe, die nicht bestraft werden und einem doch das kostbarste stehlen: die Zeit.“

Denn tatsächlich ist Zeit für jedes Projekt einer der wichtigsten Rohstoffe. Termine wollen eingehalten, Kunden und Geschäftspartner rechtzeitig zufriedengestellt werden. Oder, um einen anderen berühmten Mann zu zitieren: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Das problematische dabei ist: Zeit kann man nur schlecht kaufen.

Klar, wenn die Zeit drängt, könnte ein Unternehmen mehr Mitarbeiter einstellen. Aber das führt äußerst selten zum gewünschten Erfolg. Zwei Maurer können eine Wand zwar schneller hochziehen als einer alleine. Hundert Maurer dagegen stehen sich nur gegenseitig im Weg. Wenn Sie dann noch überlegen, dass Sie jeden einzelnen neuen Mitarbeiter ausrüsten, briefen und einarbeiten müssen, wird die Misere noch offensichtlicher.

Oder denken Sie an die Logistik: Wenn etwa eine projetkritische Ressource aufgrund einer theoretischen Pandemie in einem Containerhafen in Indien festhängt und Sie sich nicht rechtzeitig um redundante Quellen bemüht haben, kommt ihr Projekt zum Stillstand. Sie können ihrem Container noch so viel Geld hinterherwerfen, er wird nicht früher eintreffen.

Projektmanagement ist daher immer auch die Wissenschaft von effektiver Zeitnutzung. Seine wichtigsten Werkezeuge heißen: effiziente Kommunikation, Risikominimierung und Zielmanagement. Allerdings werden diese Aspekte je nach Methode unterschiedlich gewichtet.

Lasst uns reden: Kommunikationsstrategien

Eines der wichtigsten Mittel, die Ressource Zeit zu schonen, ist eine gut funktionierende Kommunikation. Wenn jedes Projekt-Team genau weiß, wie es um den Gesamtfortschritt bestellt ist und wie seine nächsten Aufgaben lauten, bleiben Motivation wie Effizienz gleichermaßen hoch. Agil und Klassisch verfolgen hier verschiedene Herangehensweisen:

Klassisches Projektmanagement: Das klassische Projektmanagement setzt bei der Kommunikation vor allem auf das sogenannte Stakeholder-Management. Zur Erinnerung: Ein Stakeholder ist eine Person oder eine Gruppe, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Projektes hat. Also etwa die Unternehmensführung und das Management, Vertreter des Project Management Office (PMO) oder der Kunde selbst. Diese treten regelmäßig zusammen, informieren sich über den Projektfortschritt, bringen Vorschläge und Wünsche ein und beraten über die nächsten wesentlichen Schritte.

Das ist natürlich wichtig für den Projekterfolg und die abschließende Zufriedenheit aller beteiligten, aber ist Ihnen etwas aufgefallen? Richtig, zu den typischen Stakeholdern gehört fast niemand, der direkt am Projekt beteiligt ist. Selbst das PMO zeichnet sich vornehmlich durch die Koordination von und den Gesamtüberblick über alle laufenden Projekte aus. An der Projektfront selbst stehen andere.

Hier handelt es sich um eine grundlegende Schwäche des klassischen Projektmanagements. Diejenigen, die sich direkt mit einem Projekt befassen, werden in wichtige Gespräche selten direkt eingebunden. Das schadet nicht nur der Kommunikation zwischen den Projektteams, sondern erweckt für Mitarbeiter auch schnell den Eindruck, dass ‚die da oben‘ sowieso alles über ihre Köpfe hinweg entscheiden.

Anders sieht es da im agilen Projektmanagement aus.

Agiles Projektmanagement: Auch das agile Projetmanagement beinhaltet Stakeholder-Management, geht in der Kommunikation allerdings ein ganzes Stück weiter. Denn hier wird großen Wert daraufgelegt, dass die einzelnen Projektteams sich in festgelegten Ritualen und unter der Moderation des Projektleiters regelmäßig untereinander austauschen.

Ob es nun das tagtägliche Daily-Scrum mit einem kurzen Zeitrahmen von 15 Minuten ist oder der im mehrwöchigen Rhythmus stattfindende Sprint – wichtig ist, dass die Teams in Kontakt bleiben und kommunizieren. So bleibt das Level an Informationen in allen Teams hoch, Probleme können zeitnah angegangen und wichtige Entscheidungen projektnahe getroffen werden.

Das Stakeholder-Management ist dabei nur einer von vielen Kommunikationsbausteinen. Scrum-Entwickler Ken Schwaber definiert sogar: „Stakeholder sind Personen mit einem Interesse am Projekt außerhalb des Scrum-Teams.“ Eine klare Abgrenzung also zwischen denen, die die Gesamtverantwortung und das monetäre Risiko tragen und jenen, die mit ihrer ganzen Kraft im Projekt involviert sind.

Wenn es um effiziente Kommunikation geht, läuft Agil also mit einer Pferdelänge Vorsprung im Ziel ein.

Es wird gefährlich: Risikominimierung

Wenn es mit einem Mal knarzt im Projektgebälk und das ganze Konstrukt droht, plötzlich zusammenzubrechen, ist es gut, auf alle Unwägbarkeiten vorbereitet zu sein. Kluges Risikomanagement kann den Verlust von Zeit und damit Geld noch vor Projektstart minimieren. Aber auch hier gibt es zwei Sichtweisen:

Klassisches Projektmanagement: Die Risikominimierung des klassischen Projektmanagements lässt sich vergleichen mit der gründlichen Herangehensweise eines stereotypen deutschen Handwerkers. Mögliche Risiken werden bereits zu Beginn des Projektes benannt und sich gegen selbige bestmöglich abgesichert. Erfahrung ist dabei natürlich ebenso wichtig, wie eine gründliche Analyse.

Manch einer mag nun das Bild des furchtsamen Bedenkenträgers in bester preußischer Beamtentradition im Kopf haben – und tatsächlich macht eine umfassende Risikoabsicherung ein Projekt etwas teurer und schwerfälliger.

Allerdings lehrt die Erfahrung, dass die Abwendung möglichst vieler Gefahren sich langfristig nicht nur amortisiert, sondern zahlreiche große Projekte niemals erfolgreich abgeschlossen worden wären, hätte vorher nicht irgendjemand den Finger in die Risikowunde gelegt.

Anders in der agilen Welt:

Agiles Projektmanagement: Im agilen Projektmanagement fristen Risikoanalysen ein eher stiefmütterliches Dasein. Der Gedanke dahinter ist, dass ein unverhofftes Problem sich schon spontan lösen lassen wird. Schließlich steht man im permanenten Austausch und weiß über die aktuelle Situation immer bestens Bescheid.

Meinem Erleben nach ist das allerdings oft zu kurzfristig gedacht. Aus gutem Grund machen Autofahrer einen Erste-Hilfe-Kurs, bevor es scheppert und sehen sich nicht erst nach einem Unfall ein Video zum Thema Herzmassage auf YouTube an.

Denn wenn es irgendwo ernstlich hakt, ist die Panik oft groß und einen klaren Verstand zu bewahren entsprechend schwer. So manch einer duckt sich lieber weg, anstatt in die Bresche zu springen und möglicherweise den Kopf hinhalten zu müssen.

Besser ist es daher, im Falle einer heraufziehenden Katastrophe einen eindeutigen Plan inklusive unmissverständlich festgelegter Verantwortlichkeiten zu haben. So weiß jeder, wie er in dieser besonderen Situation zu reagieren hat und Best-Practices müssen nicht ad hoc heraufbeschworen werden.

In Sachen Risikomanagement hat die klassische Welt also eindeutig die Nase vorne.

Wo der Weg hinführt: Zielmanagement

Jedes Projekt besitzt selbstverständlich ein Ziel, auf das es hinarbeitet. Dieses klar zu definieren hilft, Fortschritte einzuordnen, an wichtigen Stellschrauben zu drehen und letztlich den Zeitplan einzuhalten. Beide Projektwelten besitzen bei der Zielvorgabe allerdings unterschiedliche Herangehensweisen:

Klassisches Projektmanagement: Auch in seinen Zielvorgaben ist das klassische Projektmanagement konservativ. Der Zeitpunkt des Projektabschlusses wird bereits zu Beginn möglichst eindeutig festgeschrieben. Dabei muss es nicht unbedingt ein exaktes Datum sein; eine Genauigkeit in Quartalen allerdings ist schon wünschenswert.

Folge dessen ist zunächst eine große Planungssicherheit. Im Laufe des Projektes lässt sich sehr genau messen, ob sich alle Abläufe noch im zeitlichen Rahmen befinden. Die Kehrseite der Medaille wiederum ist eine gewisse Inflexibilität: Dort, wo jeder einzelne Projektschritt bereits genau vorgegeben wurde, lässt sich am Großen Ganzen nur noch wenig rütteln.

Agiles Projektmanagement: Das agile Projektmanagement ist bei seinen Zielvorgaben – wie könnte es anders sein – ziemlich agil. Gedacht wird hier in Etappen und Meilensteinen; der endgültige Zieleinlauf ist zwar immer präsent, aber flexibel erreichbar.

Auf spontane Änderungen in den Projektvorgaben lässt sich so wesentlicher einfacher reagieren. Problematisch dabei ist allerdings häufig der bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnte Feature-Creep: Durch die flexiblen Zielvorgaben besteht die Gefahr, einem Projekt immer noch eine weitere Funktion und noch ein weiteres neues Element hinzuzufügen. Das Endziel kann dabei schnell aus dem Blick geraten.

Einen klaren Vorteil hat diesmal keines der beiden Systeme…

Sei agil, denke klassisch: Hybrides Projektmanagement als beste Lösung

Nun sollte klar sein, wieso es keine Musterlösung bei der Auswahl der richtigen Projektmanagement-Methode geben kann. Allein, wenn es um den sinnvollen Umgang mit unserer wertvollen Ressource Zeit geht, besitzen Agil wie Klassisch ihre Vor- und Nachteile.

Und ganz besonders strenggenommen, ist so eine Einteilung in der Realität noch ein wenig komplizierter, als es ich es in diesem kurzen Beitrag darstellen konnte.. Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein kleines Unternehmen mit sehr jungen Mitarbeitern, ganz ohne jede Projekterfahrung. In so einer Situation wäre es nur vernünftig, das Stakeholder-Management als wichtigste Kommunikationsplattform zu betrachten und nicht allein auf die Ergebnisse der Sprints zu vertrauen.

Deshalb erwähne ich es gerne erneut: Ein Patentrezept existiert nicht und jeder gute Projektmanager wählt aus all seinen Werkzeugen immer diejenigen aus, die zur vorgefundenen Situation passen und zur bestmöglichen Lösung führen. Lassen Sie sich also bitte nicht einreden, eine Methode sei einer anderen absolut überlegen. Jede von ihnen hat Vor- und Nachteile; die zuverlässigste Lösung ist stets der Hybrid.

Mehr dazu erkläre ich Ihnen gerne in einem meiner nächsten Seminare rund um das Thema ‚Hybrides Projektmanagement‘. Oder Sie blättern weiter ins letzte Kapitel unserer Reihe ‚Gängige Projektmanagement-Methoden‘, in dem wir noch näher auf den optimalen Hybrid-Mix eingehen. Bis dahin freue ich mich auf unser Wiederlesen.

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